Wiener Studenten und Wiener Bürger im Spätmittelalter. Die Geschichte einer schwierigen Beziehung
Konflikte zwischen Bürgern und Universität
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Die Konflikte zwischen den Wiener Bürgern und den Universitätsmitgliedern im Spätmittelalter fanden jedoch in den städtischen Quellen entweder kaum Niederschlag oder ist dieser verloren gegangen – wir wissen es nicht. Sie wurden jedoch sehr wohl während der Universitätsversammlungen erörtert, worüber Protokolle bis heute in den Wiener Rektoratsakten und teilweise auch in den Acta facultatis artium existieren
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In den ersten Jahren nach dem Albertinum tauchten zunächst kleinere Konflikte auf. Am 8. November 1385 brachten zum Beispiel die Universitätsmitglieder zur Anzeige, dass die Schankwirte in der Stadt nicht nur beim Weineinschenken an die scholares et magistri betrügen, sondern sogar versuchen, den Weinimport für die Universität zu sabotieren. Dahingehend wurde beschlossen, dass eine Beschwerde gegen die Wiener Bürger dem Landesfürsten vorgetragen werden soll
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Ein erster größerer Konflikt entstand dann im Frühling 1387. Vor die Universitätsversammlung gelangte eine Beschwerde, dass die Schustergesellen Studenten systematisch verfolgen, überfallen und verprügeln - wobei sie sich gleich nach der verübten Missetat in Werkstätten und Kellern verstecken – und die Studenten es nicht mehr wagen, Vorlesungen zu besuchen. Alles war damals umso komplizierter, als man bald die Ankunft des Herzogs Albrecht III. in der Stadt erwartete und man nicht wusste, ob alles rechtzeitig in den Griff zu bekommen sein würde. Um die Wogen zu glätten, haben sich der Bürgermeister, Michael Geukramer, der Stadtrichter, Michael Fink, und der Stadtrat zusammengesetzt – die Universität bat ihren Kanzler, Berthold von Wehingen, den Bischof von Freising, um Rat. Bei den „Friedensverhandlungen“ mit dem Bürgermeister und Stadtrat haben die Handwerker schließlich versprochen, bis Pfingsten keine Scholaren mehr anzugreifen, um den feierlichen Einzug des Landesfürsten nicht zu gefährden. Am 17. April wurde dann von der Universitätsversammlung beschlossen, dass die ganze Angelegenheit durch den Rektor und die Vertreter der vier Fakultäten vor den Fürsten gebracht und verlangt werden sollte, dass die Missetäter gemäß den Privilegien der Universität bestraft werden würden. Die Studenten sollten indes aufgefordert werden, weder gegen die Schuster noch gegen andere Laien bis zum festgelegten Termin vorzugehen. Ansonsten müssten sie von der Universität ausgeschlossen werden
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Ab diesem so genannten „Schusterkrieg“
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Eine mehr als abenteuerliche Amtszeit hat am Anfang des 15. Jh., im Wintersemester 1413/1414 der berühmte Mathematiker und Astronom Johannes von Gmunden als Dekan der artistischen Fakultät erlebt
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Damals wurde ein (in den Quellen leider namentlich nicht genannte) Scholar von einigen Bürgern und den Dienern des Stadtrichters Wolfgang Purkhartzperger sowie des Bürger- und Münzmeisters Rudolf Angerfelder gefangengenommen, woraufhin es zu einem großen Kampf zwischen Studenten und den städtischen Wachen kam. Die Universität ersuchte den Bürgermeister und die Bürger, gemäß den Universitätsprivilegien den Gefangenen, der Kleriker sei, dem zuständigen Richter, also dem Passauer Offizial, zu präsentieren und wollte den Frieden zwischen Studenten und Bürgern schließen. Doch wollten die Bürger den Gefangenen selbst richten, worauf die Universität beim Herzog um Erhaltung ihrer Privilegien, oder zumindest um gnädige Erlaubnis zum Abzug ersuchen wollte. Der Herzog und sein Rat verlangten von der Universität Statuten und Verordnungen für ein besseres Regimen der Scholaren, um Ausschreitungen und Angriffe gegen Bürger und andere zu verhindern, aber auch an die Bürger sollten ähnliche Anordnungen ergehen. Dies nutzte aber nicht viel, da der gefangene Student bald an den Folgen der Folter verstarb und die Bürger somit von den Vertretern der Universität für exkommuniziert angesehen wurden. Die Universitätsmitglieder lehnten es auch ab, in St. Stephan ihre Gottesdienste zu halten, und verlegten sie (zum Teil) in die Dominikanerkirche. Schließlich ließ der Herzog der Universität Anfang April 1414 verkünden, dass er den Bürgern Frieden mit der Universität und Beobachtung der Universitätsprivilegien befohlen habe, was der Bürgermeister angenommen habe; daher solle auch der Rektor allen supposita den Frieden mit den Bürgern und anderen in der Stadt und Ablassen von Ausschreitungen befehlen
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Auch dieser Friede war aber ein spröder und dauerte nicht lange. In den folgenden Jahren ist es immer wieder zu Konflikten zwischen Studenten und den Wiener Bürgern, hauptsächlich Handwerksgesellen gekommen. Der brutalste von allen war aber wohl einer, der sich bereits an der Schwelle zur Neuzeit ereignete, nämlich das so genannte Bellum Latinum. Dieser Konflikt ist aus einem Tumult am Fronleichnamstag im Jahr 1513 erwachsen, bei dem sowohl ein Bürger als auch ein magister starben und etliche Menschen verletzt wurden. Die Ursache lag möglicherweise im Tragen des so genannten cingulum, einem Gürtel, welchen die Studenten verpflichtet waren zu tragen und weswegen sie von Weingärtnern verspottet wurden. Unruhen breiteten sich anschließend über die ganze Stadt aus, Studenten forderten die Abschaffung des cingulum, weigerten sich, Waffen abzulegen und fühlten sich sowohl von der Stadt als auch von der Universitätsleitung ungerecht behandelt. Die Auseinandersetzungen sind so weit eskaliert, dass 700 Studenten zum Abzug aus der Stadt gezwungen wurden. In der Matrikel findet man zu dieser Zeit viele Exklusionsvermerke
Anmerkungen
Empfohlene Zitierweise
Andrea Bottanová, Wiener Studenten und Wiener Bürger im Spätmittelalter. Die Geschichte einer schwierigen Beziehung: Konflikte zwischen Bürgern und Universität, aus: Andreas Speer, Andreas Berger (Hg.), Studentengeschichte zwischen Mittelalter und Neuzeit, in: historicum-estudies.net, Seitentitel: Bürger und Universität (Datum des letzten Besuchs).