Wiener Studenten und Wiener Bürger im Spätmittelalter. Die Geschichte einer schwierigen Beziehung
Die Gründungsprivilegien der Universität Wien
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Zu Beginn des Jahres 1365, lud Rudolf IV., Herzog von Österreich, die Großen seines Landes zur Stiftung des Allerheiligenkapitels nach Wien, die am 16. März abgehalten wurde. Vier Tage vorher versammelte er die bereits angetroffenen Gäste um sich und präsentierte ihnen ein auf Deutsch verfasstes Universitätsgründungsprivileg. Daran schloss sich die Unterzeichnung und Besiegelung einer lateinischen Fassung der Stiftungsurkunde an, die die ursprünglichere von den beiden war, die man aber wohl mit Rücksicht auf die anwesenden Laien (oder vielleicht auf ihre übermäßige Länge?) nicht zum Vorlesen bestimmt hatte. Die Stadt Wien stellte unter demselben Datum eine eigene Urkunde aus, in der sie sich verpflichtete, die Hochschulprivilegien zu achten und zu schützen.
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Die Wiener Bürgerschaft war der Gründung einer Universität in der Stadt jedoch alles andere als wohlgesinnt. Bereits Rudolfs Konzept eines ummauerten quartier latin, deren Einwohner von der Jurisdiktion der Stadt ausgeschlossen, von den Steuern befreit und mit zahlreichen zusätzlichen Sonderrechten versehen werden sollten, musste für die Bürger, die unter dem Steuerzwang des Herzogs zu leiden hatten, eine große Provokation darstellen. Außerdem würden sie die potentielle Gefahr verspürt haben, die von einer großen Gruppe von männlichen Adoleszenten konzentriert auf einem relativ kleinen Raum ausging – sie hatten gewiss bereits einige unerfreuliche Erfahrungen mit den Schülern der Bürgerschule zu St. Stephan gemacht. Letztere hat durch die Gründung der Wiener Universität ihren Prestigestatus unter anderen Wiener Schulen verloren.
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Doch war es gerade sie, die nach dem Tod Rudolfs IV., dem Abgang des ersten Rektoren, Albert von Sachsen, und finanziellem Kollaps die wenig erfolgreiche und akzeptierte Universität unterstützte, wobei die sowohl mit räumlichen als auch mit personellen Kapazitäten aushalf.
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Dieses Provisorium hielt offenbar, bis die Auseinandersetzungen an der Pariser Universität als Folge des großen Schismas dem Nachfolger Rudolfs, Albrecht III., nahelegten, kompetente Gelehrte nach Wien zu ziehen und den Status der Universität zu klären. Zu diesem letzteren Zweck stellte er 1384 für die Wiener Universität ein Privilegium aus - auch das Albertinum genannt – womit die Bestimmungen der Stiftungsurkunde Rudolfs klarer gefasst und gekürzt wurden.
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Beide Privilegien, sowohl das von Rudolf als auch das spätere von Albrecht machten aus der Wiener Universität also eine weitgehend autonome Institution mit besonderen Rechten, deren Mitglieder aus der städtischen Jurisdiktion herausgenommen waren (außer sie begingen ein Kapitalverbrechen) und wurden somit für die Bürger der Stadt zu einem Gegenüber, einem Gegner. Mittel und Wege der Universität ihre Grenzen zu zeigen, fanden sich verschiedene – von kleinen Rechtsstreitigkeiten bis zu Handgreiflichkeiten und aggressiven Ausfällen.
Anmerkungen
Empfohlene Zitierweise
Andrea Bottanová, Wiener Studenten und Wiener Bürger im Spätmittelalter. Die Geschichte einer schwierigen Beziehung: Die Gründungsprivilegien der Universität Wien, aus: Andreas Speer, Andreas Berger (Hg.), Studentengeschichte zwischen Mittelalter und Neuzeit, in: historicum-estudies.net, Seitentitel: Universitätsgründung (Datum des letzten Besuchs).